Der Konsum von illegalen Drogen entwickelte sich erst Ende der 60er Jahre
zu einem großen gesellschaftlichen Problem als Opiate in Deutschland über den Schwarzmarkt zugänglich wurden.
Anfänglich war der Konsum eingebettet in die Hippibewegung und die
Konsumenten waren vor allem Intellektuelle, die sich vom bestehenden
Gesellschaftssystem abgrenzen wollten.
Im Laufe der Jahre verlagerte sich der Konsum jedoch auf andere
Gesellschaftsschichten. Die Zahl der konsumierenden Jugendlichen war enorm
gestiegen und damit auch die mit dem Konsum einhergehenden Probleme.
Es gab eine stetig steigende Zahl Drogentoter, Zunahme von Beschaffungskriminalität und organisierter Kriminalität und den sozialen Abstieg der Betroffenen.
Eltern von drogenabhängigen Jugendlichen standen in der damaligen Zeit vor
einem großen Problem.
Weil ihre konsumierenden Kinder sich in der Illegalität bewegten und
aus Angst vor Repressalien wollten sie sich mit ihrem Hilferuf nicht an
offizielle Stellen, wie das Gesundheitsamt oder Jugendamt wenden und die
Drogenhilfe befand sich damals ja erst im Aufbau.
Vor diesem Hintergrund wurde auf Initiative von Josef und Gerda Thiesen
1978 die „Jugendhilfe Hürth“ gegründet. Dieser Einrichtung war auch ein
Elternkreis angegliedert, eines der ersten Hilfsangebote von Eltern für Eltern
in der Region. Einen weiteren Eltern-Selbsthilfekreis gab es zudem in
Bergisch Gladbach.
Damals waren dies auch für betroffene Eltern aus dem Großraum Köln die ersten
Anlaufstellen, um Unterstützung und Stärkung durch andere Betroffene zu erfahren.
Als später dann 1979 auf der Berliner Straße in Köln Mühlheim die Drogenhilfe
eröffnet wurde, entstand gemeinsam mit den Mitarbeitern dort die Idee, auch in Köln eine solche Selbsthilfegruppe für Eltern drogenabhängiger Jugendlicher zu gründen. Anfangs wurde dieser Kreis von Mitarbeitern der Drogenhilfe geleitet. Allerdings ließen sich Elternselbsthilfe und Drogenhilfe nicht miteinander vereinbaren und man suchte engagierte Teilnehmer, die bereit waren, den neuen Elternkreis zu leiten.
So entstand 1983 der Elternkreis, den Inge G. fast über 3 Jahrzehnte geleitet hat.
Kurze Zeit später verlagerte die Elternselbsthilfe Bergisch Gladbach ihre Aktivitäten nach Köln und es entstand der Elternkreis Köln I, der über viele Jahre von Wolfgang
Odenthal geleitet wurde.
Im Gründungsjahr unserer Gruppe war der Umgang mit drogenabhängigen
Menschen ein völlig anderer als heute.
Es gab erst wenige Therapieangebote und die Angehörigen wurden auch nicht in
die medizinische oder therapeutische Arbeit mit dem Erkrankten eingebunden.
Das Gegenteil war der Fall, häufig wurden betroffene Kinder von ihren
Eltern getrennt, weil man den Grund für die Fehlentwicklung in erster Linie in
der Erziehung der Eltern vermutet hat.
In den letzten 30 Jahren gab es eine kontinuierliche Weiterenticklungen in
der Drogenhilfe.
Zwei ganz wichtige Veränderungen, die unsere Gruppe miterlebt und mitbegleitet
hat, sind hier besonders zu erwähnen:
1) Die Einführung einer gerichtlichen Therapieauflage,
die es straffällig gewordenen Menschen unter bestimmten Voraussetzung erlaubte,
ihre Haftstrafe in eine Therapie umzuwandeln.
2) Die sehr kontrovers diskutierte Einführung der
Methadonvergabe an Opiatabhängige.
Diese sollte es Drogenabhängigen, die von den
klassischen Therapieangeboten nicht erreicht werden konnten, ermöglichen, aus
der Beschaffungskriminalität herauszufinden und die Verbreitung von Krankheiten,
wie HIV oder Hapatits C sollten hierdurch eingeschränkt werden.
Von den ersten Behandlungsprogrammen bis zur Schaffung
einer eindeutigen gesetzlichen Regelung und Zulassung von Methadon als
Substitutionsmittel im Jahr 1994 vergingen jedoch über 20 Jahre.
Im Laufe ihrer Tätigkeit hat unsere Gruppe viele schlimme, aber auch
mutmachende Schicksale miterlebt. Wir hatten Eltern, deren Kinder infolge ihres
Drogenkonsums verstarben, aber wir hatten auch immer wieder Eltern,
deren Kinder sich aus dem Teufelskreis der Sucht befreien konnten.
Obwohl wir inzwischen ein großes Angebot an Therapieeinrichtungen haben –
320 stationäre Einrichtungen mit 13200 Plätzen, davon ca. 4000 für
Drogenkranke –
ist es auch heute noch schwierig, Betroffene schnell in angemessene Therapieeinrichtungen zu vermitteln, da die Beantragung einer Kostenzusage sehr aufwendig und langwierig ist.
Gestern wie heute leben die Angehörigen mit der Angst, dass ihre Kinder
aufgrund der langen Wartezeiten bis zum Therapiebeginn, die Therapie nicht mehr
antreten wollen.
Viele weitere positive Impulse wurden im Laufe der Jahre umgesetzt:
Es entstanden Suchhilfeverbundsysteme, die die Zusammenarbeit zwischen sozialen
und medizinischen Einrichtungen, Therapeuten, Kliniken und Selbsthilfegruppen
verbessert haben. Es wurden niedrigschwellige Hilfen für Betroffene eingerichtet.
Für die Zeit nach einer Entwöhnungsbehandlung gibt es inzwischen ambulante Therapie- und Nachsorgekonzepte und Angebote von begleitenden Hilfen wie betreutes Wohnen wurden verstärkt.
In fast allen Städten Deutschlands entstanden Drogenberatungsstellen, sowie viele Wohn- und
Betreuungsangebote für Betroffene.
Die Bundesregierung fördert viele Modellprogarmme oder Forschungsprojekte, die sich mit verschiedenen Fragestellungen zum Thema Sucht beschäftigen.
Der Kölner Elternkreis engagierte sich auch schon früh als Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe im Paritätischen und im Landesverband der Elternkreise, ARWED e.V. in Hagen. Wichtig waren und sind den Mitgliedern unseres Elternkreises auch immer die Fortbildungs- und Weiterbildungsangebote, die vom Bundesverband der Elternkreise suchtgefährdeter und suchtkranker Söhne und Töchter e.V. (BVEK) organisiert werden.
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Trotz allem ist der Umgang mit dem Thema Drogensucht ist bei den Angehörigen immer noch sehr schambesetzt.
Zunächst einmal wollen die Eltern die beängstigenden Veränderungen bei ihren Söhnen und Töchtern nicht wahr haben und werden hierin auch oft von ihrer Umgebung unterstützt, indem viele der Veränderungen im Zusammenhang mit der Pubertät erklärt werden.
Wenn die Gefahr schließlich erkannt und akzeptiert wird, ist es häufig schon zu spät, effektiv in die Entwicklung einzugreifen.
Zudem werden alle Eltern unweigerlich mit der Schuldfrage konfrontiert, einerseits durch massive Selbstvorwürfe, aber andererseits auch durch offen ausgesprochene oder verdeckte Anklagen der Gesellschaft, die den Grund für eine Suchtkarriere immer noch vorrangig im Elternhaus vermutet.
Dass hier ein Mosaik von verschiedenen Faktoren, wie Veranlagung und Charakter, mangelndes Selbstbewusstsein, die günstige Gelegenheit, das Umfeld der Kinder und der Umgang mit Frustration usw. eine Rolle spielen, ist vielen nicht bewusst.
Dies erklärt vielleicht auch, warum die Anzahl der Mitglieder unserer Angehörigengruppe im Verhältnis zur Zahl der betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit kritischem bzw. abhängigem Konsum eher klein ist.
Eckdaten aus dem Drogenbericht 2012:
Ca. 200.000 Menschen in Deutschland haben einen
risikoreichen Drogenkonsum (ohne Cannabis)
Jeder 100ste Jugendliche bis 17 Jahre konsumiert
regelmäßig Drogen.